World Championship Wrestling ~ The Monday Night Wars!

Vince McMahon hatte den richtigen Riecher. Noch bevor die Welt dank Internet und Social Media zusammenwuchs, behielt er die sich rapide verändernde Medienlandschaft im Blick – und zwar besser als jeder andere. Unter der Devise „national statt regional“ kaufte er ein finanziell angeschlagenes Territorium nach dem anderen auf, behielt die Talente und Sendeplätze für sich, vereinnahmte sie und baute sie aus. Wer sich den gierigen Griffeln von Titan Sports widersetzte, endete frei von gefragten Kombattanten und Interesse in der Bedeutungslosigkeit.

Als nennenswerte Konkurrenz blieb nur eine Promotion übrig. World Championship Wrestling, zunächst lediglich als Name der wöchentlichen TV-Show von Georgia Championship Wrestling, entwickelte sich schnell zum Flaggschiff des Südens, damit einhergehend zum Gegenentwurf vom schillernden und bunten Pro-Wrestling-Zirkus aus New York. Und nicht nur das: Im Jahr 1988 übernahm Ted Turner die günstigen Überreste der kläglich an der nationalen Expansion gescheiterten Jim Crockett Promotions, setzte folglich den sprichwörtlichen Fuß in die Tür. Anders als seine Vorgänger und selbst Vince Jr. wusste der Medienmogul vor allem einen Vorteil auf seiner Seite: nahezu grenzenloses Kapital. Und auch wenn der Durchbruch noch einige Jahre auf sich warten lassen sollte, freuten sich die größten Namen der Branche über ein alternatives Standbein, sollte der Ausflug ins Titanland aus welchen Gründen auch immer misslingen.

Mit der offenen Brieftasche Turners sah sich nach dem fleißig rotierenden Kreativkarussell schließlich ein Mann an der Spitze: Eric Bischoff. Der gerissene Charmeur verfügte zwar nicht über den Geschäftssinn von Vince McMahon, dafür aber über eine große Klappe und Schöpfergeist. Mit Hulk Hogan und Randy Savage hatten sich die renommiertesten Pro-Wrestler der Achtziger von der World Wrestling Federation losgesagt, um in Atlanta aufzuschlagen. Doch was nützte ihre globale Strahlkaft, wenn der Gigant des Südens eben nur das bleiben würde?

Bischoff sagte Vince McMahon bereits 1994 den Kampf an. Auf Turners ein Jahr später erfolgende Frage, wie World Championship Wrestling weiter ins Licht der Öffentlichkeit vordringen könnte, antwortete der Jungspund aggressiv und ohne die Erwartung einer positiven Reaktion: Die Company benötige einen Prime-Time-Platz innerhalb der Woche, möglicherweise zeitgleich zu WWFs Monday Night Raw. Zur Überraschung aller überließ Turner seinem jungen Gehaltsempfänger eine Live-Stunde auf TNT. Die erste Episode von Monday Nitro sollte am 4. September 1995 über die Bühne gehen – einem klug und keinesfalls zufällig gewählten Datum, musste Raw doch an ausgerechnet diesem Tag Platz für die US Open schaffen.

Einkaufsliste parat, Familie ins Auto, Hund in den Kofferraum gesperrt – es geht auf zur allerersten Ausgabe von Monday Nitro! World Championship Wrestling hat in der Mitte der Mall Of America einen Ring aufgespannt und wartet darauf, mit fantastischer wie nervenaufreibender Unterhaltung begeistern zu dürfen. Das Kommentatorentrio hat sich in Schale geworfen: Eric Bischoff und Bobby Heenan vermitteln Kompetenz, neben ihnen steht der wunderliche und auf seine ganz eigentümliche Weise unterhaltsame „Macho Man“ Randy Savage. Während „The Brain“ mit den ersten Wortspielen punktet, ist Bischoff ganz außer Atem, so viel hat er von der vor uns liegenden Stunde zu berichten. Hulk Hogan vs. The Shark und Sting vs. Ric Flair um die United States Heavyweight Championship sind nur zwei der Schmankerl, auf die wir uns gefasst machen dürfen. Die Debüt-Episode startet, wie es sich gehört, mit dem größten Star, den die Wrestling-Welt hervorgebracht hat.


Wir schreiben das Jahr 1995, World Championship Wrestling läutet eine neue Ära ein. Keine Frage also, dass sich der amtierende World Heavyweight Champion Hulk Hogan noch vor allen anderen Kollegen im Ring präsentieren muss. Der Titelträger gesellt sich nach einem ausführlichen Bad in der Menge zu „Mean“ Gene Okerlund ins Seilgeviert und bestätigt die suboptimalen Gerüchte der letzten Tage. Ob unerwarteter Differenzen hinter den Kulissen sei Team Hogan aktuell nur dreiköpfig. Die nächsten 13 Tage würden deshalb ganz im Zeichen der Verstärkung stehen. Doch keine Angst, Hulkamaniacs: Bei World Championship Wrestling gebe es, so der Champion, eine Vielzahl von Athleten, die es kaum erwarten könnten, dem Taskmaster sowie dem restlichen Dungeon Of Doom die Leviten zu lesen.

Anders als dem Candyman reicht Kevin Sullivan die einfache Erwähnung seines Namens. Hogan setzt nach einem strengen Blick in die Zuschauerreihen gerade zur Fortsetzung seines Monologs an, da erscheint der Taskmaster bereits mit The Shark im Gepäck auf der halbgar zusammengeklöppelten Tribüne. Sullivan gibt von sich, der Welt einen Gefallen zu tun, indem er Hogan endgültig ins Reich der Legenden befördern würde. Hulkamania sei vorbei, ein Relikt der Vergangenheit, seit Jahren reif für den Müllhaufen der Wrestling-Geschichte. Er persönlich sei der Altenpfleger, der Hogans Stecker ziehen und seinen Weg ins Jenseits ebnen werde. Und weil niemand mehr an irrelevant gewordene Helden glaube, gebe es nur eine Möglichkeit, das Publikum vor der Tirade eines verzweifelten Dinosauriers zu bewahren: Hogan vs. Shark finde nicht erst am Ende von Monday Nitro, sondern am Anfang der geschichtsträchtigen Stunde statt! Der Hulkster kann kaum glauben, wie dreist und unchristlich ihm hier ins Wort gefallen wird – und gibt selbstverständlich nach.


Spontan oder nicht: Hulk Hogan ist stets bereit, es mit dem Unrat dieser Welt aufzunehmen. Doch leider täuscht sein Optimismus nicht darüber hinweg, dass der Shark den merklich besseren Start erwischt. Während der Hulkster es mit einer obligatorischen Schlagsalve probiert, zeigt sich das Mitglied vom Dungeon Of Doom wenig beeindruckt. Anders sieht es aus, als ein Headbutt einschlägt und Hogan quer durch den Ring wirft. Der Publikumsliebling hält sich den Schädel, muss zu seiner eigenen Überraschung erst einmal in sich gehen. Hat sich der WCW World Heavyweight Champion ausgerechnet beim Debüt von Monday Nitro übernommen?

Auch nach einer kurzen Werbeunterbrechung sieht es düster aus. Der Shark bleibt in der Offensive, treibt Hogan mit seinem Gewichtsvorteil vor sich her. Und scheint es doch einmal, als könnte sich der Titelträger aus seiner misslichen Lage befreien, zieht der Fiesling sein As aus dem Ärmel. Denn kaum ist der Ringrichter auch nur eine Sekunde abgelenkt, wird Hogan vom Taskmaster gewürgt. Der Hulkster ist zweifellos auf die Unterstützung der Zuschauer angewiesen – ein Glück also, dass sich das Publikum in der Mall Of America als wenig anspruchsvoll erweist. Der Shark schüttelt nur noch vergeblich mit dem Kopf, als sich der Hulkster aus einem Side Headlock kämpft und auf einmal mit einer donnernden Rechten um sich schlägt.

Die Wende ist gekommen! Prallten die Schläge zu Beginn des Matches noch am Riesen ab, bringen sie ihn nun ins Wanken. Als eine Clothesline landet, ist der Drops gelutscht, das Momentum von Hogan nicht mehr zu stoppen. Der Taskmaster versucht es zwar noch mit einem galanten Abstecher aufs Apron, setzt sich nach einem gezielten Faustschlag aber sofort wieder auf den Hosenboden. Der Shark lässt weitere Schläge über sich ergehen, federt in die Seile und fliegt nach dem Big Boot kerzengerade auf die Bretter. Hogan wirft einen gemütlichen Blick ins Publikum, motiviert die Laufkundschaft und sich selbst mit einem kreisenden Zeigefinger und beendet das Spektakel mit seinem patentierten Leg Drop.


Der Taskmaster ist stinkig und wedelt lauthals schreiend hinter die provisorischen Kulissen. Es dauert nur einen kurzen Augenblick, bis sich seine Mannschaft, mal schneller, mal langsamer, den Weg zum Ring ebnet. Meng hat den Schauplatz zuerst erreicht, holt sich aber gleich einen Haken von Hogan ab. Der Hulkster hingegen kommt unter die Räder, als The Zodiac und Kamala das Seilgeviert geentert haben. Randy Savage macht sich kurzfristig auf, Bischoff und Heenan zu verlassen, kassiert aber sofort eine Avalanche Clothesline vom Shark. Identisch ergeht es dem in einer Mischung aus Straßen- und Ringkleidung herbeigeeilten Sting. Für die guten Jungs scheint das Ende der Fahnenstange erreicht!

Oder doch nicht? Kevin Sullivan will die Ohren der Zuschauer gerade mit einer Rede malträtieren, als er urplötzlich unter lautem Jubel aus dem Ring gezogen wird. Dort setzt es einen gewaltigen Hieb von einem muskulösen Blondschopf, der zum Schrecken des Dungeon Of Dooms den Ring betritt und mit der Aufräumaktion startet. Sting und Savage nutzen die Gunst der Stunde, heben nacheinander den Zodiac, Kamala und Meng nach draußen, bevor der Shark nach einem Flying Forearm des Unbekannten die Segel streicht. Moment mal, von wegen unbekannt – das ist Lex Luger!!! Was macht der denn hier? Die wenigen Zuschauer mit Grips können es genauso wenig fassen wie der Hulkster, der erst langsam wieder zu sich kommt. Noch bevor es Antworten auf diese wilde Szenerie gibt, verlässt das süffisant grinsende „Total Package“ auch schon wieder den Ring. Nitro ist keine Viertelstunde alt und wir alle könnten erst einmal eine Erfrischung gebrauchen.


Wir landen hinter den Kulissen bei einem wild gewordenen Senior, der ganz andere Probleme als Hulk Hogan, Lex Luger oder Kevin Sullivan hat. Ric Flair gratuliert Sting zur Ehre, bei der Premiere von Monday Nitro Geschichte zu schreiben. Kein anderer Pro-Wrestler werde sich jemals damit brüsten können, gegen den „Nature Boy“ verloren zu haben, als die Augen der Wrestling-Welt auf Minneapolis, Minnesota gerichtet waren, um den wichtigsten Schlagabtausch aller Zeiten zu erleben. Und nicht nur Sting gehe als Profiteur aus der Angelegenheit. Selbst Parasit Arn Anderson werde sich beruhigt zurücklehnen können, wenn der amtierende United States Heavyweight Champion unter der Last des Figure Four Leglocks abklopfen und nach dem Beistand seiner Mami flehen werde. Denn Ric Flair sei der beste Wrestler auf Gottes grüner Erde und ein Ehrenmann, der die Championship bei Fall Brawl selbstverständlich aufs Spiel setzen werde. Es müsse ein für alle Mal bewiesen werden, dass der selbsternannte „Enforcer“ nicht mehr als ein Stubenkater sei. „Wooo!“


Nach dem richtungsweisenden Eröffnungskampf dürfen zwei Jungs aus Minnesota ran. Dass jedoch nur einer von ihnen als Lokalmatador präsentiert wird, hat einen guten Grund. Und der wird deutlich, als der hoffnungslos überforderte Lane Carlson das erste Mal durch den Ring geschmissen wird. Was immer der junge Mann probiert: An der menschgewordenen Mauer namens Scott Norton prallt es ab. Der Fleischberg hingegen schmeißt sogleich mit Lariats und wilden Suplessen um sich, die selbst die größten Hardcore-Fans mit schmerzverzerrten Gesichtern zurücklassen. Als Norton seinem gefallenen Gegner einmal mehr auf die Beine „hilft“, hat Ringrichter Randy Anderson genug gesehen. Carlson ist nicht mehr in der Lage, Widerstand zu leisten. Der Kampf ist durch!


Eric Bischoff erhält Informationen über sein Headset und erklärt uns Zuschauern, dass alles unternommen werde, um Lex Luger ein Statement abzuringen. Er selbst habe keine Ahnung, was früher am Abend passiert sei, könne lediglich verstehen, dass WCW Monday Nitro als neuer Mittelpunkt der Wrestling-Industrie wahrgenommen werde. Ehe er weitere Details präsentiert, taucht der eben noch im Ring befindliche Scott Norton neben unseren Kommentatoren auf. Bischoff will ihn gerade noch beruhigen, da hat der Berserker auch schon sein Mikro entnommen und das Augenpaar gen Kamera gerichtet: „Hogan, I heard your team is one man short. So I hope you’ll do the right thing and add Scott Norton to the match. Consider this an application … brother.“ Der Brecher ist so schnell verschwunden, wie er gekommen ist und lässt erstaunte Gesichter zurück. Randy Savage kommentiert das Geschehen mit einem simplen „He’ll get my vote, that’s for sure.“


Apropos: Sting plädiert im heutigen Main Event für sich selbst. In einer aufgezeichneten Promo beschreibt das Quasi-Aushängeschild von World Championship Wrestling, viele Jahre auf diesen Moment gewartet zu haben. Nun sei er endlich in der Lage, auch die letzten Zweifler von seinem Können zu überzeugen. Ric Flair sei der härteste Gegner, dem er je im Ring begegnet sei. Doch sowohl er als auch Gott und die kleinen Stinger würden wissen, dass der „Nature Boy“ in den vergangenen Monaten zu oft gesündigt habe, um an diesem großen Tag siegreich aus der Schlacht zu ziehen. Die United States Heavyweight Championship bleibe bei dem Mann, der die Vereinigten Staaten tatsächlich mit Respekt, Vernunft und Vorbildfunktion repräsentieren würde. „It’s showtime, folks!“


Die gewichtigen Jungs haben genügend Zeit bekommen. Es wird allerhöchste Eisenbahn, die Dave Meltzers dieser Welt glücklich zu stimmen. Mit Flyin’ Brian und Alex Wright stehen sich zwei Athleten gegenüber, die World Championship Wrestling über Jahre hinweg prägen könnten. Der Deutsche hat den Dreh noch nicht vollständig raus, Pillman weiß dafür jeden noch so kleinen Kniff zum eigenen Vorteil zu nutzen. Auf ambivalente Weise: Scheint der ehemalige Tag-Team-Partner von Stunning Steve auf der einen Seite wie der nette Nachbar, der es nur ganz heimlich auf die Töchter abgesehen hat, schlägt er andererseits zu, wann immer die Aufmerksamkeit des Ringrichters auch nur eine Millisekunde flöten geht. Der arme Alex sieht eine wahre Sisyphusaufgabe vor sich, meistert sie für seinen Erfahrungsschatz allerdings brillant.

Brians Problem derweil ist vor allem er selbst. Wann immer er sich erfolgreich in die Oberhand bringt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Arroganz kickt. Und kaum hält sich Flyin’ Brian für den völlig offensichtlichen Sieger, kämpft sich der junge Europäer zurück. Pillman kassiert einen eingesprungenen Forearm, wird per Dropkick aus dem Ring katapultiert und bekommt einen Plancha auf den Kopf. Erst danach merkt der Veteran, dass er die Spielchen bei einem solchen Gegner unterlassen sollte. Als sich Alex bei einem Missile Dropkick verschätzt, ist Flyin’ Brian sofort mit einem Exploder Suplex am Start. An dieser Stelle ist der Kampf dann auch entschieden. Wright bemüht sich zwar noch darum, allen Angriffen gerecht zu werden, klemmt aber plötzlich in einem Cross Armbreaker, der sein Ende besiegelt.


Zurück zu „Mean“ Gene Okerlund im Ring, dem die Sensation geglückt ist. Er begrüßt den großen Überraschungsgast des heutigen Tages: Lex Luger!!! Das „Total Package“ gefällt sich merklich in dieser noblen Rolle und erklärt den Zuschauern, dass er von nun an ein festes Mitglied im Kader von World Championship Wrestling sei. Auf die Frage, was er sich von einem erneuten Abstecher zur angesagtesten Wrestling-Promotion überhaupt verspreche, betont der Rückkehrer eindrucksvoll, kein Theater mehr erleben zu wollen. Er sei kein „Narcissus“ - Bobby Heenan gibt ein leises „Yeah!“ von sich -, kein Comic-Buch-Charakter, keine ihm zugeteilte Rolle, die mit Bus durch die Vereinigten Staaten zu reisen habe. Er sei schlichtweg Lex Luger, der nach der WCW World Heavyweight Championship trachte und Mitglied von Team Hogan werden wolle, um dem Dungeon Of Doom einzuheizen. Großer Jubel!

Und, wie sollte es anders sein, lässt der amtierende Champion diese Situation nicht ungenutzt, sein Gesicht ein weiteres Mal in die Kamera zu halten. Hulk Hogan marschiert schnurstracks in den Ring, greift sich ein Sprachrohr und heißt Lex Luger bei World Championship Wrestling willkommen. Die renommierteste Championship dieser Welt stehe nicht zur Debatte, eine Mitgliedschaft bei Team Hogan hingegen schon: „Listen, brother. I’m thankful for your help and I’d love to have you on the team but I haven’t seen you wrestle in a while and there’s this big guy backstage with pythons almost as big as mine.“ Der Stinger habe Luger seine Zuversicht ausgesprochen, Savage tendiere zu Norton, der Hulkster selbst sei neutral wie die Schweiz. Die Lösung liege also klar auf der Hand. Wenn das „Total Package“ wirklich daran interessiert sei, seine Rückkehr zu World Championship Wrestling mit der größtmöglichen Aufmerksamkeit zu zelebrieren, heiße es nächste Woche: Lex Luger vs. Scott Norton. Der Gewinner nehme den letzten Platz von Team Hogan ein. Hulk mustert sein Gegenüber mit einem durchdringenden Blick: „So what do you say, Lex Luger?“ Der wiedergekehrte Sohn sieht sich im Publikum um, nimmt eine positive Reaktion wahr und inhaliert sie mit einem selbstbewussten Grinsen. „It’s on!!!“


Fan oder nicht: Kaum erklingt der Ringgong, wird auch den generischen Einkäufern in der Mall Of America bewusst, dass in just diesem Moment Geschichte geschrieben wird. Mit Sting und Ric Flair stehen sich zwei der größten Namen aller Zeiten gegenüber. Und zunächst scheint keiner von beiden gewillt, den Fokus auf den jeweils anderen auch nur einen Augenblick ruhen zu lassen. Es dauert fast 30 Sekunden, bis sich beide das erste Mal bewegen. Aber dann geht es los! Der Lock-up könnte nicht härter sein – und zeigt auf, dass Ric Flair mit seinen mittlerweile 46 Lenzen einen kleinen Nachteil besitzt. Doch wer an dieser Stelle glaubt, der Stinger wüsste deshalb auch nur den minimalsten Nutzen auf seiner Seite, hat den pfeilschnellen Griff in die Augen übersehen. Der „Nature Boy“ ist mit allen Mitteln gewaschen und präsentiert sich den Zuschauern, die ihn möglicherweise noch nie gesehen haben, auf eben diese Weise.

Flair lässt nichts anbrennen. Der künftige Schwiegervater vom „Alabama Dream“ zermürbt die Brust des Stingers mit Chops, erlaubt sich so manchen irregulären Faustschlag und hat ein ganzes Arsenal an Plattitüden parat, wann immer Ringrichter Nick Patrick eine Rüge aussprechen möchte. Der amtierende Champion ist nicht nur auf den Beinen benachteiligt. Auf dem Boden der Tatsachen sieht es noch schlimmer aus! Flair attackiert die Beine seines Gegners mit Nachdruck, arbeitet völlig offensichtlich auf den Figure Four Leglock hin. Sting wiederum schafft es mit der Unterstützung der Zuschauer hin und wieder, einen Nadelstich zu setzen. Aber kaum scheint sich sein Momentum-Barometer aufzubauen, wird es von Flair auch schon zerbrochen. Erst als Sting einen Irish Whip kontert und der „Nature Boy“ seinen legendären Flug in die Ringecke unternimmt, wendet sich das Blatt.

Es wird spannend! Sting weiß sofort das Einkaufspublikums hinter sich. Flair bittet um eine Auszeit, möchte einen Moment durchatmen, wird aber rüde an seinem Ansinnen behindert. Die kurze Unterbrechung gibt es erst, als der Herausforderer im richtigen Moment die Fassung bewahrt und bei einem Stinger Splash Nick Patrick in den Weg schiebt. Das Streifenhörnchen befindet sich sofort im Reich der Träume. Sting kann es kaum fassen und entschuldigt sich höflich bei seinem unfreiwilligen Opfer, als Flair auch schon den Ring verlassen und einen Schlagring ausgepackt hat. Zufällig unter dem Seilgeviert platziert! Noch bevor der „Nature Boy“ aktiv wird, geht ein Raunen durchs Publikum. Als Sting gerade ins nächste Jahrtausend befördert werden soll, ist Arn Anderson zur Stelle, um die brass knuckles zu ergreifen. Flair ist außer sich, wird aber nur wenig später von einem Einroller erwischt, den der schwer angeschlagene Patrick mit letzter Kraft bemerkt.


Was ein absurdes Finish vom ersten Main Event Monday Nitros! Ric Flair setzt sich geistesgegenwärtig auf, schaut verdutzt ins weite Rund der Mall Of America und visiert seinen ehemals besten Freund und Kumpanen an. „Double A“ gibt ihm zu verstehen, es auf den Faustkampf anzulegen – und nur wenige Sekunden später prügeln die beiden Streithähne aufeinander ein, als gebe es kein Morgen. Der „Macho Man“ Randy Savage geht es derweil gemächlicher an. Er wendet sich von seinen Kommentatorenkollegen ab, schnappt sich den Titelgürtel, schlittert in den Ring und lässt deutlich werden, dass die Aufmerksamkeit keineswegs den Horsemen von einst, sondern einzig und allein dem immer noch amtierenden United States Heavyweight Champion gelten sollte. Bei der Wahl des letzten Team-Hogan-Mitglieds mögen sie andere Vorstellungen haben. Doch an dieser schicksalsträchtigen Stunde steht rein gar nichts zwischen ihrer Freundschaft! Die Debüt-Ausgabe von Monday Nitro endet mit Sting, der den Titelgürtel in die Luft reißt und den Jubel der Zuschauer genießt.